COMPUTERWOCHE-Serie „PRINCE2®“
Dieser Artikel von Fachautor Martin Rother stellt den drittenTeil einer dreiteiligen COMPUTERWOCHE-Serie dar, die sich mit dem Projekt-Management-Standard „PRINCE2®“ beschäftigt.
- Teil 1: Was ist eigentlich PRINCE2®?
- Teil 2: Was bringt die PRINCE2®-Version 2009 Neues?
- Teil 3: Was unterscheidet PRINCE2® von den Konkurrenten?
Die beiden wichtigsten Projekt-Management-Ansätze neben PRINCE2® verstehen sich nicht als Methoden, sondern als Nachschlagewerke. Martin Rother unterzieht alle drei einer kritischen Darstellung.
Auf internationaler Ebene gibt es drei wesentliche Projekt-Management-Ansätze, die zum Teil sehr unterschiedlich sind, sich aber gut ergänzen:
- Die ICB (IPMA Competence Baseline) der IPMA (International Project Management Association) und ihre nationalen Ausprägungen – in Deutschland ist das die GPM (Gesellschaft für Projekt-Management), deren „Body of Knowledge“ namens „Der Projektmanager“ eher wissenschaftlich an das Thema herangeht.
- Der PMBoK (Project Management Body of Knowledge) des PMI (Project Management Institute) aus den USA, eine Art Lexikon zum Thema Projekt-Management.
- PRINCE2® (Projects in Controlled Environments), eine strukturierte PM-Methode des OCG (Office of Government Commerce) aus Großbritannien.
Die drei Ansätze bieten internationale Ausbildungsgänge und Zertifikate sowie Reifegradmodelle (das OCG mit P2M2, das PMI mit OPM3 und in Deutschland die GPM mit PM Delta). Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass es sich bei PRINCE2® um eine Methode und bei der ICB und dem PMBoK um so genannte Bodies of Knowledge, um Nachschlagewerke handelt. PRINCE2® bietet demnach eine verbindliche Systematik von Verfahren, das Prozesse und Themen integriert. Ein Body of Knowledge dagegen stellt eine umfassende Sammlung und Beschreibung von Bereichen und Verfahren dar, die nicht verbindlich sowie isoliert verwendet werden können. Und während die Methode PRINCE2® eine detaillierte Definition einzelner Rollen vornimmt, fokussieren ICB und PMBoK auf den Projektmanager und beschreiben dabei im Gegensatz zu PRINCE2® auch soziale Kompetenzen und Management-Skills.
Die Ansätze im Überblick: PRINCE2®
PRINCE2® legt verbindlich fest, wer was wann in der Vorbereitung, Durchführung und beim Abschluss eines Projekts zu tun hat. Die Methode eignet sich für alle Arten von Projekten und besteht auf deren Sicherung durch einen Lenkungsausschuss. Das Tagesgeschäft wird an den Projekt-Manager delegiert. PRINCE2® existiert in Version 2 seit 1996 und wird öffentlich weiterentwickelt. Die Methode repräsentiert die internationalen Erfahrungen im PM und besteht aus Best Practices. Einen umfassenden Überblick liefert der CW-Artikel „Was ist eigentlich PRINCE2®?“
IPMA Competence Baseline (ICB)
Die Kompetenzelemente der ICB
Die ICB-Version 3.0 basiert auf insgesamt 46 Kompetenzelementen der Bereiche „Technische Kompetenz“, „Verhaltenskompetenz“ und „Umfeldkompetenz“ (siehe Abbildung).
Für jedes Element werden die folgenden Punkte definiert: Beschreibung des Elements, mögliche Prozessschritte, adressierte Themen, wesentliche Kompetenzen auf dem jeweiligen IPMA-Level sowie Querverweise zu anderen Elementen. Ziel ist es, Kompetenzen nachzuweisen, wobei der Fokus auf dem Projekt-Manager liegt. Hierzu bietet die IPMA ein vierstufiges Zertifizierungsschema an:
- Level A: Certified Projects Director,
- Level B: Certified Senior Project Manager,
- Level C: Certified Project Manager,
- Level D: Certified Project Management Associate.
Weitere Voraussetzungen für eine Zertifizierung sind nachgewiesene Projekterfahrung, ein Lebenslauf und eine Selbsteinstufung. In Deutschland dient dabei das Buch „Der Projektmanager“ als Grundlage. Die Ausbildung besteht aus zwei- bis dreitägigen Seminaren über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten.
Body of Knowledge Guide des PMI
Die Abschnitte des BMBoK Guide
- PM-Framework: Einleitung, Framework, Definitionen Projekt-Lebenszyklus und Organisation.
- PM-Standard: Prozess-Initiative, Planung, Ausführung, Überwachung/Kontrolle und Abschluss.
- PM-Wissensbereiche: Zeit-Management, Scope-Management, Kosten-Management, Qualitäts-Management, Personal-Management, Kommunikations-Management, Risiko-Management und Beschaffungs-Management.
In jedem Abschnitt werden die Prozesse beschrieben und für jeden Prozess Inputs und Outputs sowie Tools und Techniken vorgestellt.
Auch der PMBoK Guide versteht sich als grundlegendes PM-Werk, nicht als Methode. Prozesse, Werkzeuge und Techniken werden zwar in den jeweiligen Bereichen identifiziert (siehe Tabelle „Abschnitte des PMBoK Guide“), aber nicht als verbindliche Vorgabe definiert. Speziell für Werkzeuge und Techniken ist der Guide ein hervorragendes Nachschlagewerk, auf dessen Basis sich ein Vorgehensmodell entwickeln lässt. Als Ergänzung und zur Professionalisierung der Projektmitarbeiter dient das Buch „PMI Code of Ethics and Professional Conduct“.
Beim PMI gibt es ebenfalls vier Personenzertifizierungen: PMP (Project Management Professional), SP (Scheduling Professional), RMP (Risk Management Professional) und CAPM (Certified Associate in Project Management). Der PMP ist die Standardausbildung und entspricht etwa dem PRINCE2® Practitioner“ und dem IPMA-Level C. Die Rezertifizierung erfolgt nach einem Punktesystem, den „Professional Development Units“ (PDUs): Um PMP zu bleiben, muss der Projekt-Manager in drei Jahren 60 PDUs sammeln. Für die Spezialausbildungen zum SP und RMP genügen im selben Zeitraum 30 PDUs. Der CAPM erfordert keine PDUs, sondern eine Rezertifizierung nach fünf Jahren. PDUs kann man auch in Fortbildungen erwerben. So erhält ein PMP für die Teilnahme an einem PRINCE2®-Foundation-Seminar von QRP 18 PDUs, ein PRINCE2®-Tag bringt sechs PDUs. Die reine PMI-Ausbildung umfasst in der Regel ein zwei- oder dreitägiges Seminar mit abschließender Prüfung (in Deutschland direkt über Prometric).
Projektorganisation
Ein Projekt, bei dem mehrere Personen zusammenarbeiten, erfordert wegen der beschränkten Sicht des Einzelnen auf seine Teilaufgabe eine koordinierende Stelle, die den einzelnen Personen gegenüber weisungsbefugt ist. Vor allem in unterschiedlichen Verantwortungsbereichen müssen die Autoritäten übergreifend geregelt werden. Es empfiehlt sich daher, das Projekt mit einer spezifischen Organisation zu verbinden, also: Jedes Projekt hat einen Projektleiter und einen Lenkungsausschuss. Liegt der Schwerpunkt auf der Steuerung, spielen die Zahl der beteiligten Personen, Abteilungen oder Unternehmen, die Neuartigkeit des Vorhabens, die Menge der zu erzeugenden Ergebnisse etc. eine Rolle.
Projekt versus Linie
Die Bodies of Knowledge empfehlen, dass der Projekt-Manager die nötigen Kompetenzen und Weisungsbefugnisse erhält. Doch wie sieht die Praxis aus? Die meisten Arbeitsverträge geben es gar nicht her, eine Person temporär zum Vorgesetzten eines Projekts zu erklären. In vielen Firmen existiert daher eine Schein-Matrixorganisation, in der die jeweilige Linie über die Ressourcen entscheidet. Der fachliche Vorgesetzte spielt nur eine untergeordnete Rolle, da mit der Aufgabe auch das Know-how nach unten delegiert wird. Eine reine Projektorganisation kommt für viele Firmen aufgrund der damit verbundenen Umstrukturierungen ebenfalls nicht in Frage. PRINCE2® bietet eine Lösung an, die ohne Unternehmensumbau auskommt und den Konflikt „Projekt versus Linie“ zumindest entscheidbar macht. Lösen lässt er sich wegen der unterschiedlichen Ziele von Projekt und Linie selten.
Wird ein Projekt arbeitsteilig erledigt, wobei jeder Spezialist nur seinen Teil bearbeitet, ohne dass die Arbeiten koordiniert werden, liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit bei null Prozent. Erfolgt die Koordination durch einen Projekt-Manager, steigt sie auf 50 Prozent, das heißt: Jetzt kann es klappen, muss es aber nicht. Im Sinne eines umfassenden Qualitäts- und Risiko-Managements müssen dagegen alle Maßnahmen – auch die Aktionen des Projekt-Managers – gesichert werden. Nimmt ein Lenkungsausschuss diese Sicherung wahr, steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit auf 99,9 Prozent. Denn anders als Routineoperationen haben Projekte immer einen unsichereren Ausgang. Da die Projektverantwortung letztlich beim Auftraggeber liegt, sollte er eine aktive Rolle im Lenkungsausschuss übernehmen.
Projektsicherung
Die Bodies of Knowledge diskutieren die Verantwortlichkeiten kaum, auch der Aspekt der Projektsicherung wird vernachlässigt. PRINCE2® dagegen besteht darauf, dass diese Aufgaben erledigt werden. Egal ob sie der Lenkungsausschuss selbst wahrnimmt oder an die Projektsicherung delegiert – die Verantwortlichkeiten und Weisungsbefugnisse werden bei PRINCE2® weitgehend geklärt. Dabei besteht der Lenkungsausschuss aus drei Rollen: dem Benutzervertreter (verantwortlich für die Spezifikation des Endergebnisses), dem Auftraggeber (gesamtverantwortlich für das Projekt) und dem Lieferantenvertreter, der die Qualität der Produkte verantwortet. Das Tagesgeschäft wird an den Projekt-Manager delegiert. Der Lieferantenvertreter ist seinen Mitarbeitern gegenüber weisungsbefugt, der Benutzervertreter gegenüber den Benutzermitarbeitern. Auf diese Weise sind im Lenkungsausschuss die Vorgesetzten der jeweiligen Mitarbeiter zu finden. Wer zu entscheiden hat, tut dies auch – in der Linie wie im Projekt. Dadurch lassen sich personelle Engpässe zwar nicht beheben. Aber sie werden entscheidbar – und darauf kommt es an. Denn Projekte scheitern bekanntlich weniger an technischen, sondern eher an organisatorischen Problemen.
Für den Auftraggeber sind solche Fragen nebensächlich. Ihn interessiert nur der Nutzen eines Projekts. Ein Projekt ist immer nur Mittel zum Zweck. Ob es überhaupt erfolgt beziehungsweise ob es weitergeführt wird, hängt vom Nachweis ab, ob der Nutzen erreicht wird. Während die Bodies of Knowledge diesen Aspekt vernachlässigen, unterteilt PRINCE2® ein Projekt in zeitliche Abschnitte, die so genannten Management-Phasen, an deren Ende der Lenkungsausschuss über den weiteren Verlauf des Projekts entscheidet. Und diese Entscheidung hängt davon ab, ob der angepeilte Nutzen erreichbar scheint oder nicht.
Fazit
Alle drei Projekt-Management-Ansätze haben ihre Berechtigung. Im Sinne einer Systematik empfiehlt sich jedoch – vor allem für Einsteiger – ein konkretes Vorgehensmodell wie PRINCE2®. Zur Herausbildung von Kompetenzen sollte zusätzlich die ICB herangezogen werden. Und für eine tiefer gehende Beschäftigung mit einzelnen Techniken bieten sich „PMBoK Guide“ und „Der Projektmanager“ an. Allerdings fehlen hier die Best-Practice-Erkenntnisse von PRINCE2®, die die zentrale Bedeutung des Lenkungsausschusses in Projekten belegen. Auch bei der Zertifizierung empfiehlt sich der Einstieg über PRINCE2®. Zur weiteren Professionalisierung sollte man dann die Zertifizierung des PMI und anschließend die der IPMA heranziehen.