PRINCE2® ist eine strukturierte, systematische Projektmanagement-Methode, die vom britischen Cabinet Office entwickelt wurde. Die Methode ist prozessbasiert und arbeitet nach dem „Management nach dem Ausnahmeprinzip“ (management by exception).
Im Lieferumfang der Methode befinden sich fertige Dokumentenvorlagen für den täglichen Gebrauch. Sie basiert auf den praktischen Erfahrungen von Projektmanagern und wird seit über 25 Jahren ständig weiterentwickelt. Die Methode ist branchenunabhängig und für jede Art von Projekt geeignet. Durch die öffentliche Weiterentwicklung der Methode stellt sie den internationalen Erfahrungsschatz im alltäglichen „Managen“ von Projekten dar. Sie ist auf dem Wege, sich als „Best Practice“ zum De-facto-Standard – insbesondere bei der konkreten Durchführung von Projekten – zu entwickeln.
PRINCE2® im Kontext
Zwei in Deutschland ebenfalls bekannte und verbreitete Projektmanagementansätze sind GPM-IPMA und PMI. Im Unterschied zu PRINCE2® arbeiten diese wissensbasiert, während PRINCE2® einen prozessorientierten Ansatz gewählt hat, bei dem Aufgaben und Verantwortungen jeder Rolle und deren Vorkommen in den einzelnen Projektmanagementprozessen genau definiert sind. Ansätze wie GPM-IPMA und PMI liefern eine umfangreiche Dokumentation die neben Grundlagen- und Technik-Kompetenzen (Ablauf- und Terminmanagement, Kostenmanagement u.a.) auch Informationen für den Aufbau sozialer (Kommunikation, Führung, Motivation u.a.) und organisatorischer (Qualitätsmanagement, Vertragsmanagement u.a.) Kompetenzen liefern.
PRINCE2® hingegen ist viel „schlanker“ konzipiert und beschränkt sich auf das „Wann“ und „Was“ im Projektmanagement. Das „Wie“ wird den jeweiligen Spezialisten überlassen und gibt den Organisationen somit die Möglichkeit, bereits vorhandene Abläufe und Verfahrensweisen in die Methode einfließen zu lassen. Eine besondere Eigenschaft, die die Methode anpassungsfähig macht und daher branchenübergreifend genutzt werden kann. PRINCE2® ist zudem Teil eines Frameworks des Office of Government Commerce (OGC), dass mit Best Practice-Methoden wie MSP (Managing Successful Projects), M_o_R (Manangement of Risk) und ITIL (IT Infrastructure Library) bereits andere bekannte Ansätze aus dem Bereich Programm- und Projektmanagement und IT Service Management geliefert hat.
Merkmale der Projektmanagementmethode
- Ergebnisorientiert, nicht vorgangsorientiert
- Definierte Aufgaben (Prozesse) und Verantwortlichkeiten
- Für jedes Projekt geeignet (technisch, organisatorisch, Entwicklung, etc.)
- Anpassungsfähig an verschiedene Projektgrößen
- Qualitäts-Management, Anforderungen abgestimmt auf das Projektmanagement
- Produktbasierte Planung, Produkteigenschaften statt Tätigkeiten
- Management-Phasen (definierte Teilbudgets) als Entscheidungspunkte, Lenkung durch das Management
- Der Einsatz der Methode ist kostenlos
- Ausbildung und Beratung sind streng geregelt
PRINCE2® im Überblick
Informationen und Kommunikation
PRINCE2® beinhaltet einheitliche Begriffe und Verfahren zum strukturierten Vorgehen innerhalb eines Projekts. Die Informationen und Kommunikation im Projekt wird festgelegt und durch die Verwendung von standardisierten Templates (Dokumenten) unterstützt.
Ergebnisse
Jedes Projekt erzeugt ein oder mehrere Ergebnisse (Produkte). Diese Produkte sollen einen geschäftlichen Nutzen für das durchführende Unternehmen erzielen. Idealerweise besitzt jedes Projekt einen so genannten Business Case, in dem die Gründe für das Projekt und der zu erwartende (finanzielle) Nutzen messbar beschrieben sind. Der Business Case dient dem Lenkungsausschuss als wichtigstes Steuerungsinstrument im Projekt und erlaubt die regelmäßige Kontrolle, ob das Projekt den Nutzen erreichen und fortgeführt werden kann.
Projektleitdokumentation
Eine zentrale Dokumentation, die Projektleitdokumentation, bildet den „Projektvertrag“ und dient das gesamte Projekt über als zentrale Informations- und Steuerungsdokumentation. Es enthält alle relevanten Informationen. Kleine Projekte kommen mit sehr wenigen Dokumenten aus. In der Projektleitdokumentation müssen die Ziele des Projekt messbar beschrieben sein.
Produktbeschreibungen
Produkte werden in Produktbeschreibungen spezifiziert. In einer Produktbeschreibung sind nicht nur die Zusammensetzung eines Produkts, sondern vor allem die geforderten Produkteigenschaften (Qualitätskriterien) festgehalten. Aus den Produktbeschreibungen werden Arbeitspakete und Maßnahmen zur Qualitätskontrolle (Inspektionen, Abnahmen, Teilabnahmen, etc.) abgeleitet. Produktbeschreibungen müssen vom Lenkungsausschuss, Arbeitspakete vom Projektmanager freigegeben werden.
Managementphasen
Projekte werden in Managementphasen aufgeteilt. Diese Phasen laufen nacheinander ab und verfügen über ein begrenztes Budget. Der Lenkungsausschuss benutzt die Phasengrenzen als Kontrollpunkte, ob das Projekt noch auf Kurs ist und genehmigt die jeweils folgende Phase. Dies geschieht dann, wenn der Business Case nach wie vor erreichbar ist. In den Managementphasen laufen beliebige technische Phasen ab, in denen die eigentlichen Produkte erzeugt werden.
Planung
Geplant wird in zwei Stufen: Projektplan und Phasenplan. Der Projektplan zeigt auf, aus welchen Phasen das Projekt besteht, welches die Hauptprodukte sind, in welcher Phase sie erzeugt werden sollen, etc. und ist ein Übersichtsdokument für den Lenkungsausschuss. Der Phasenplan enthält die Detailplanung für die jeweilige Phase. Mit ihm wird die tägliche Steuerung des Projekts durchgeführt. Bei größeren Projekten werden darüber hinaus auch Teampläne eingesetzt. Der Phasenplan muss vor einer Phase vom Lenkungsausschuss abgezeichnet werden. Nach einer Phase muss der Projektmanager dem Lenkungsausschuss einen Phasenabschlussbericht vorlegen, in dem festgestellt wird, ob das Projekt nach wie vor in der Lage ist, den Business Case zu erfüllen. Am Ende des Projekts werden ein Projektabschlussbericht, ein Erfahrungsbericht (auch am Ende jeder Phase), Empfehlungen für Nachfolgeaktionen und der Plan für die Nutzenrevision (Nachbetrachtung, Nutzenprüfung) erstellt.
Toleranzen
PRINCE2® arbeitet nach dem Prinzip „Management by Exception“. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen festgelegt werden. Zwischen Unternehmensmanagement und Lenkungsausschuss werden Projekttoleranzen definiert (Zeit, Geld, Umfang, Nutzen, Risiken, Produktqualität). Zwischen Lenkungsausschuss und Projektmanager werden Phasentoleranzen (für eine Management-Phase) definiert. Der Projektmanager muss bei absehbarer Toleranzüberschreitung an den Lenkungsausschuss eskalieren, kann aber innerhalb der Toleranzgrenzen korrigieren.
Organisation
Die Organisationsstruktur wird festgelegt. Jede Rolle bekommt eine Rollendefinition, die abgezeichnet werden muss. Für jede Rolle werden die Verantwortlichkeiten und Aufgaben definiert. Der Informationsbedarf jeder Rolle für den jeweiligen Entscheidungsbedarf wird optimal abgedeckt. Der Auftraggeber ist ultimativ für das Projekt verantwortlich. Der Lenkungsausschuss ist Eigentümer des Projekts und verantwortlich für die Spezifikationen der Ergebnisse und die Beschaffung der Ressourcen, sowie die Qualität der Ergebnisse. Der Lenkungsausschuss setzt sich aus den Rollen Benutzervertreter, Lieferantenvertreter und Auftraggeber zusammen. Die Personen, welche diese Rollen übernehmen, müssen die Autorität haben, Budget, Ziele, Pläne und Ressourcen zu genehmigen. Der Projektmanager ist verantwortlich für das Tagesgeschäft des Projekts und dafür, dass im Projektalltag keine Entscheidungen getroffen werden, die den Business Case des Projekts gefährden könnten. Risiken werden in einem Risikoregister geführt. Zu jedem Risiko muss es einen „Eigentümer“ geben, der im Verlauf des Projekts das Risiko managt. Risiken werden im Rahmen der Prüfung offener Punkte behandelt und spätestens am Ende jeder Phase vom Lenkungsausschuss kontrolliert. Change- und Konfigurationsmanagement werden vom Projektsupport unterstützt.
Prozesse
Die Prozesse bilden den Leitfaden für alle Beteiligten durch das Projekt. Es gibt einen Vorbereitungsprozess, der die Frage klärt, ob das Projekt überhaupt unternommen werden sollte, einen Initiierungsprozess, in dem das Projekt geplant wird, einen Steuerungsprozess für die Managementphasen, das Management der Produktherstellung und -auslieferung, das Management der Phasenübergänge und den Projektabschlussprozess.
Themen
Die Themen entsprechen den klassischen Wissengebieten im Projektmanagement und erklären die Prozesse und den damit verbundenen Informationsfluss. Diese sind: Business Case, Organisation, Pläne, Risiko- und Qualitätsmanagement, Änderungsmanagement und Fortschritt.
Prinzipien
PRINCE2® basiert auf allgemeinen Prinzipien. Diese Prinzipien stellen Forderungen an das Projektmanagement dar und die Konformität zu PRINCE2® wird durch die adäquate Umsetzung der Prinzipien erreicht, nicht durch Formalitäten. Die sieben Prinzipien lauten:
- Fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung
- Lernen aus Erfahrungen
- Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten
- Steuern über Managementphasen
- Managen nach dem Ausnahmeprinzip
- Produktorientierung
- Anpassen an die Projektumgebung
Anpassung
Die notwendige Anpassung an die jeweilige Projektsituation ist mittlerweise ein fester Bestandteil der PRINCE2®-Prozesse. PRINCE2® wird nicht von außen skaliert (z. B. durch das Weglassen von Templates), sondern in der Iniitiierungsphase eines Projekts stehen Prozesse zur Verfügung, mit denen die Anpassung vorgenommen wird.
Techniken
Unter Techniken werden die Verfahren zur produktbasierten Planung und zur Qualitätsprüfung beschrieben. PRINCE2® ist offen für jede branchenspezifische oder fachlich erforderliche Technik und ist nicht an bestimmte Techniken gebunden. PRINCE2® besteht darauf, dass alle Arbeiten zur Herstellung von Ergebnissen, aber auch alle Informationen gesichert und auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden. Für jeden Prozess, für jedes Thema und für jedes Template gibt es vordefinierte Qualitätskriterien, die einfach an die jeweilige Projektsituation angepasst werden können. Der Lenkungsausschuss ist nicht nur eine Entscheidungsinstanz, sondern im eigenen Interesse vor allem eine Sicherungsinstanz.
Ausbildung und Zertifizierung
Das OGC hat das englische Unternehmen APMG mit dem Bereich Schulungen und Zertifizierungen beauftragt. Nur akkreditierte Trainingsorganisationen (ATOs) dürfen in Deutschland Personen ausbilden und gemäß den Richtlinien der APMG prüfen. Bei der Akkreditierung werden das Managementsystem, das Material und die Trainer der Trainingsorganisation akkreditiert. Trainer müssen alle drei Jahre re-akkreditiert werden. Um PRINCE2® erfolgreich anwenden zu können, ist eine Ausbildung nötig. Diese Ausbildung besteht aus zwei Stufen, der Foundation– und der Practitioner-Ausbildung. Beide Stufen werden mit einer Prüfung abgeschlossen, bei der Foundation ist es ein einstündiger Multiple-Choice-Test und bei der Practitioner-Stufe ist es ein zweieinhalb-stündiger Multiple-Choice-Test, bei dem das PRINCE2®-Manual verwendet werden darf.
PRINCE2® Foundation |
PRINCE2® Practitioner |
|
Zielgruppen |
Projektmitarbeiter/-innen Mitglieder Lenkungsausschuss allg. Unternehmens-Management |
Teammanager/-innen Teilprojektleiter/-innen Projektmanager/-innen |
Voraussetzungen |
keine |
PRINCE2® Foundation-Zertifikat (APMG) |
Dauer |
2-3 Tage, Prüfung am letzten Tag | 2-3 Tage, Prüfung üblichwerweise eine Woche später |
Inhalte |
Grundausbildung: Handwerkszeug u. Grundbegriffe des profess. Projektmanagements nach PRINCE2® |
PRINCE2® im Detail, Übungen Praxisbeispiele, Anwendung in konkreten Szenarien Prüfungsvorbereitung |
Zertifizierung |
PRINCE2® Foundation- Zertifikat (APMG) |
PRINCE2® Practitioner-Zertifikat (APMG) |
Prüfung |
durch akkreditierte Trainer |
durch akkreditierte Trainer |
Gültigkeit |
keine Beschränkung | 5 Jahre |
Tabelle: Übersicht PRINCE2®-Ausbildung
Literatur
- Das PRINCE2-Manual: „Erfolgreich Projekte managen mit PRINCE2TM / OGC. – London: TSO, 2009. – 377 S. ISBN 978-0-11-331214-6
- Der PRINCE2-Pocketguide: „PRINCE2TM Pocketbook / OGC. – London: TSO, 2009. – 81 S. ISBN 978-0-11-331199-6